Reproduktive Arbeit

Reproduktive Arbeit ?

Ich verstand nur Bahnhof. Am Anfang auf der Finkenburg war vieles neu und aufregend für mich. Meine Eltern hatten einen 30 ha Betrieb mit 18 Milchkühen.Da gab es keine „reproduktive Arbeit“, da gab es was zu tun und das nicht zu knapp. Und jetzt das, mir flogen die Begriffe nur so um die Ohren: Anarchie, Subsistenz, Feminismus und so einige andere. Wir haben viel diskutiert und auch viel geschafft. Die Art des Zusammenlebens hat mir gefallen ich war begeistert. Zum ersten Mal was zum 8. März gemacht. Brötchen geschmiert, Kaffee gekocht an der Bremer Uni. Das hat Spaß gemacht und wir haben gut Geld verdient.
Die Kinder wurden an diesem Tag von den Männern betreut. Eine Mitbewohnerin war zu Hause geblieben, die hatte mit dem ganzen „Emanzenkram“ nix am Hut. Wir kamen also abends zurück, hatten Hunger und freuten uns auf `s Essen. Unsere Mitbewohnerin hatte zwar Pizza gebacken, nur leider hat sie zwar die Männer bekocht aber es reichte nicht mehr für uns. Das gab echt Zoff. Naja, ich hätte mir damals einfach ein Brot geschmiert und gut. Die zwei anderen rollensensibilisierten Frauen sind total ausgerastet. Wo war die Frauensolidarität?!
In dieser Zeit habe ich viel Bewußtsein für diese Thematik entwickelt. Hab mich aber auch oft mit meinem Anspruch gestreßt den gängigen Normen etwas entgegenzusetzen. Ich wollte auch produzieren, auf dem Bau arbeiten, bohren, sägen und von mir völlig Neuem behaupten: „Klar, das krieg ich hin, kein Problem“. Wir Frauen haben diskutiert und versucht uns gegenseitig zu unterstützen. Wir wollten drauf achten, daß wir erst mal zu `ner Frau gehen und um Hilfe in technischen Bereichen fragen, statt sofort augenblinzelnd die Männer bitten, uns doch mal den kleinen Gefallen zu tun. Ich wollte nicht nur KKK (Kinder-Küche-Kirche).
Anspruch und Realität zusammenzukriegen war gar nicht so einfach. Wie oft wurde (und werde) ich gerufen, legte meine „Beschäftigung: Kochen, Putzen, Kinder“ beiseite und sollte Kunstwerke männlichen Schaffens wie Gauben, gepflasterte Wege oder auch mal Torten bewundern. Auch nach 10 Jahren wird von der Gaube noch gesagt „Toll nicht, die hab ich gebaut“. Verdammte Scheiße, denk ich grad, lauf ich wegen jeder geleisteten Arbeit durch den Hof und laß mich bewundern wie toll ich gekocht hab oder wie gut es geklappt hat den Schornsteinfegern die Ofenklappe auf dem Dach zu zeigen? Warum eigentlich nicht, ist da mein Gedanke. Und da ist mein eigener innerer Zweifel wieder, ist ja lächerlich dies als Arbeit zu bezeichnen und überhaupt:
ich hab den ganzen Tag echt überhaupt nichts geschaf ft. Das Kind hat nur rumgenölt, auf die Wäsche hat es draufgeregnet, durch den geputzten Flur ist der Schornsteinfeger gelatscht und die
Kartoffeln sind angebrannt, als ich geholfen hab die Schafe einzufangen. Was hab ich also vorzuweisen.
Und das paradoxe ist, wenn ich für diesen Job Geld bekommen würde, könnte ich mich abends ruhigen Gewissens zurücklehnen und meinen wohlverdienten Feierabend genießen.

Lutter 25.10.2003
Karin